Die Geschichte

Hummel

Der Wasserträger Johann Wilhelm Benz hat von 1786 bis 1854 in Hamburg gelebt. Im 18. Jahrhundert versorgten sich die Hamburger aus den Fleeten und Kanälen mit Wasser, denn es gab ja noch keine Wasserleitung. Doch durch Seuchen und Krankheiten wurde die Stadt Hamburg gezwungen, um den Stadtkern Brunnen zu bauen, wo sich die Hamburger von nun an mit Wasser versorgen konnten. Dieser Johann Wilhelm Benz hatte die Lizenz, das Wasser zu holen und an die feineren Herrschaften zu verkaufen. Die Kinder riefen ihn auf der Straße das „Hummel! Hummel!“ zu, worauf er mit „Mors! Mors!“ antwortete, denn mit seinen vollen Eimern konnte er ja nicht hinterher laufen, um ihnen ein paar an die „Rüstüten“ zu geben. Ob der Ruf nun von seinem Brummeln oder von der Tatsache herrührt, dass er in die Wohnung an der Großen Drehbahn einzog, wo vor ihm der Stadtsoldat mit Namen Hummel wohnte, der den Kindern immer gern von seinen Kriegsgeschichten erzählte, weiß man heute nicht so genau, denn es gibt kein authentisches Material. Es gibt daher mehrere Erzählungen, die Paul Möhring in einem Büchlein im Hansa Verlag veröffentlicht hat. Auf jeden Fall können wir bestätigen, dass dieser Ruf  noch heute überall auf der Welt zu hören ist. Als wir z.B. in Rio oder auch bei der Steubenparade in New York, als Hummel und Zitronenjette unsere schöne Stadt Hamburg präsentiert haben, schallte uns von allen Seiten und überall das „Hummel! Hummel!“ entgegen, welches wir natürlich mit einem kräftigen „Mors! Mors!“entgegneten.

 

Zitronenjette

Die Zitronenjette ist im Jahre 1841 in Dessau unter den Namen Johanne Henriette Marie Müller geboren. Sie zog als kleines Kind mit ihrer Mutter und Schwester nach Hamburg. Als ihre Mutter starb, lebte sie mit ihrer Schwester zusammen, die als Wäscherin ihr Geld verdiente. Da sie nur 132 cm. groß bzw. klein wurde, hatte sie es schwer eine Verdienstmöglichkeit zu finden. Damals schon kamen von Übersee die Schiffe in den Hamburger Hafen und hatten auch Südfrüchte an Bord. Da ging sie einfach zu den Matrosen an Bord und kaufte von denen die Zitronen, diese legte sie in einen kleinen Korb und zog dann damit durch die Straßen von Hamburg, um sie zu verkaufen. Aus Henriette wurde damals schon der Kurzname „Jette“. Als sie nun mit dem  kleinen Zitronenhandel begann, war die Zitronenjette geboren. Sie zog auch mit ihrem kleinen Korb durch die Kneipen auf der Reeperbahn und traf dort die Matrosen von den Schiffen wieder, die sich dann mit ihr ein kleines Spiel erlaubten und die kleine „Deern“ mit Kümmel abfüllten. So wurde sie leider langsam zur Alkoholikerin und wurde dementsprechend auffällig. Daher sah man sich gezwungen, sie von Hamburgs Straßen zu entfernen und brachte sie nach Friedrichsberg in eine Anstalt, wo sie im 75. Lebensjahr zufrieden verstarb. Im Ernst-Drucker-Theater (heute St.Pauli-Theater) wurde 1900 eine Posse von der Zitronenjette gespielt. Zu der Premiere lud man die Zitronenjette ein, die es nicht fassen konnte, dass man über ihr armes, karges Leben ein Stück geschrieben hatte. Daraus wurde dann später ein richtiges Theaterstück, welches über 1000mal im St.Pauli-Theater aufgeführt wurde. Mit einer einzigen Ausnahme, das  war Christa Siems, wurde die Zitronenjette immer von einem Schauspieler dargestellt. Es freut mich ganz besonders, dass  Karl-Heinz Wellerdiek als Festivalleiter vom Hamburger Elbsommer seit 2004 die Zitronenjette wieder in’s Programm genommen hat. Im Juli und August 2005 kann man die „Zitronenjette“  im Engelsaal sehen. Auch diesmal wird die „Zitronenjette“ von einem Schauspieler, nämlich ganz großartig von Karl-Ulrich Meves dargestellt. Mit Herma Koehn ist die Rolle der Schwester einfach toll besetzt. Wir hoffen nicht, dass das Theaterstück „Zitronenjette“ wieder in die Versenkung geht, sondern, dass es immer wieder einmal aufgeführt wird.

Wir rufen allen Lesern ein  kräftiges: „Hummel! Hummel!“ zu.

Herbert "Hummel" Bolle

Es war bestimmt ein „Mors-Mors“ was da am 15. Juni 1939 zu hören war, als Herbert Bolle als zweiter Sohn von dreien das Licht der Welt erblickte. Sein Vater, Wilhelm Bolle war Reeder und Barkassenführer in einer Person und kam aus Berlin. Trotz Widerstand der Eltern heiratete die Hanseatin Gretchen Jahnke den „Quietsche“ aus Berlin. Seine ersten Jahre verlebte Herbert mit seiner Familie auf der Barkasse, die als Schubkraft für die Schuten diente. Als der Krieg endlich aus war, zog die Familie auf die Veddel in ein Behelfsheim.  1955 begann Herbert die Lehre zum Kälte-, Wärme- Schallinstallateur schlicht „Gipsklatscher“, wie er es immer nannte oder auch Isolierer bei der Firma Rheinhold & Mahla, bei der er dann bis zur Rente tätig war. Seinen Freund Ewald Lübeck lernte er bei der Einschulung kennen und ab sofort waren sie unzertrennlich. Als dieser dann 1957 nach Altona zog, trafen wir uns in der Milchbar von Elly Meyer in der Großen Bergstraße (ein Treff für Teenager mit Musikbox) und da hat es dann 1958 zwischen uns geschnackelt. 1962 hatten wir Glück, dass wir im Kleingartenverein Veddel-Peute ein Behelfsheim beziehen konnten. Aber nur mit der Auflage, dass wir heiraten, denn damals war noch Zucht und Ordnung angesagt. Vordem durften wir nur die Räume renovieren, und dieses aber auch nur bei offenen Fensterläden und erst Recht nicht über Nacht bleiben. Nachdem wir am 19. Oktober 1962 im Altonaer Rathaus und in der Flussschifferkirche uns unser Jawort gegeben hatten, konnte er mich hier endlich über die Schwelle tragen. In diesen bescheidenen 58 qm haben wir unsere schöne Zeit verbracht. Am 10. Juni 1967 hatten wir mit der Fortpflanzung Erfolg und unsere Tochter Petra kam zur Welt. Ich war hoch beglückt, dass es ein Mädchen ist, denn die könnte ja eine Tanzmaus werden, was ich so gerne gewesen wäre und leider nie geschafft habe. Aber nein, im Fußballverein Vorwärts-Ost wurde die 1. Mädchenmannschaft aufgestellt und da war sie mit Feuer und Flamme dabei. Na, ja auch bei den beiden Enkelinnen Anika, die am 19.6.88 und Janine, die am 13.11.95 zur Welt kamen, konnte ich mit dem Tanzen nicht punkten, denn ihr Vater ist Trainer bei Einigkeit und schon hatte er die Mädels wieder zum Fußballspielen überredet.

Nun zu unser Hobby! In unserer Jungverheiratetengruppe feierten wir 1981, wie in jedem Jahr Karneval. Nun musste wieder einmal  ein Kostüm her. Da kramte Herbert doch kurz einmal in seinem Schuppen und siehe da, sein Joch und die Eimer, in denen er den Gips für seine Isoliertätigkeit getragen hatte, kamen jetzt zum Einsatz. Ein Finkenwerder Fischerhemd, der Zylinder seines Vaters und ein rotes Halstuch und schon war der Anfang vom Hummel gemacht. In die Eimer legte er noch Gurken hinein und war stolz wie „Bolle“. Als dann Petras Fußballverein Vorwärts-Ost ein Fest veranstaltete, zog ich mich spiegelgleich an und wir legten in die Eimer wieder Gurken und verkauften diese. Bei kleinen privaten Feiern traten wir dann immer mal wieder so auf. 1984, nach 22 Jahren Ehe wurde der Alltag ein wenig trist und langweilig. Da kam ein Kollege mit einer guten Idee zu uns, denn er erzählte uns, dass das Zillertalzelt auf dem Hamburger Dom in ein Festzelt mit Namen „Astra-Hafen“ umgewandelt wurde. Bei dem Wirt Jochen Wolkenhaar stellten wir uns dann vor und der war begeistert und wir durften  seinen Schnaps verkaufen. Dort begann dann unserer Karriere als Hummel und Zitronenjette und auch unser Alltag war gerettet. Durch unser gemeinsames Hobby hatten wir uns immer wieder viel zu erzählen, denn  jeder Auftritt war eine neue Herausforderung und mit vielen Erlebnissen gespickt. Wir konnten auch immer auf den Nachhauseweg sicher sein, dass wir vielen Menschen eine Freude gemacht hatten und das ist schon ein beglückendes Gefühl. 1992 kam dann der ganz große Durchbruch, denn wir bekamen ein Angebot nach Rio und Sao Paulo, aber da sollten wir in Originaltracht auftreten.

Mit der Beschaffung unserer Kostüme hatten wir großes Glück, denn Herbert fand seinen Anzug und die Schuhe bei Paulsen und 1984 waren die „Küchenkleider“ gerade „in“ und somit hatte ich bei C & A Glück. Unsere Tochter, die den Bolli’s Salon betreibt, frisierte meine Langhaarperücke immer gekonnt mit den handgelegten Wasserwellen, wie vor gut 100 Jahren die Frauen ihre Haare trugen. Bei vielen Auftritten wurde die Frisur immer wieder bewundert und ich hörte oft:“ so trug meine Oma oder auch Tante ihre Haare.“ Durch unser Hobby sind wir nicht nur nach Berlin, Bayern usw. gekommen, sondern wir sind auch z.B. mit dem St.Pauli BV in New York und in Chikago bei der Steuben- Parade dabei gewesen. In New York durchbrachen 2 Damen die Polizeiabsperrung, nur um Herbert zu streicheln und „Hummel,Hummel“ zu sagen. Auch präsentierten wir Hamburg in Prag und St. Petersburg. Auf der Messe in St. Petersburg hatten wir auch ein rühriges Erlebnis, denn nachdem wir einen Russen einen Helbing Kümmel ausgeschenkt hatten, kam er mit einer kleinen Flasche Wodka, die seine eiserne Reserve war, zurück, und schenkte uns daraus einen ein. Einmal war Herbert alleine unterwegs und zwar in Yokohama, weil in Japan die Frauen noch nicht so eine große Rolle spielen. Durch die IG-St.Pauli waren wir auch mit Willi Bartels und unserer ganzen Familie bei dem Umzug in Berlin zur Deutschen Wiedervereinigung ein paar Mal dabei. Beim Schützen-und Trachtenumzug in Mühldorf am Inn, an dem wir auch mehrmals teilgenommen haben,  bekamen wir als Hamburger Originale und obwohl wir ja nur zu zweit waren, den größten Applaus vom Zug. Mit dem guten Helbing Kümmel und die Matjes von Henning Plotz waren wir in Glückstadt und Pinneberg auch öfters unterwegs. In Hahnenklee/Harz  sind wir zur Walpurgisnacht mit den Hexen im Umzug mitgelaufen. Wir unterstützten auch gerne soziale Einrichtungen wie z.B. die Hamburger Tafel, Lions Club, Welthungerhilfe, Terres Home und die unfallgeschädigten Kinder mit Peter Sebastian. Die zahlreichen, teilweise auch jedes Jahr wiederkehrenden Auftritte auch in unserer schönen Heimatstadt Hamburg machten uns immer wieder glücklich. Sei es das Spreehafenfest, das Niendorfer Sommerfest, das Parlamentarische Sommerfest, Michelwiesenfest, Schiffstaufen bei der Reederei Rainer Abicht, oder auch die kleinen Festlichkeiten vom Geburtstag, Jubiläen, Hochzeiten bis hin zur Diamantenen. Bei den kleinen Festen kam es oft vor, dass ein paar Tränen vor Freude flossen, wenn wir auftraten. Wir waren dann ganz gerührt und auf der Heimfahrt sagten wir;“ wir haben wieder Freude bereitet.“ Es war immer ein ganz tolles Gefühl und hat uns immer richtig glücklich und zu frieden  gemacht und mit Stolz erfüllt. Das wir dazu auserkoren waren, war schon ein großes Glück. Nur hätte Herbert den Hummel nicht  auch noch mit den Lebensjahren nachmachen brauchen, denn der Wilhelm Benz wurde auch nur 68 Jahre alt, genau wie Herbert. Mein Trost ist es, das wir dieses große Glück hatten die Hamburger Originale darstellen zu dürfen und dadurch ein erfülltes und erlebnisreiches gemeinsames Leben hatten.

Klara Bolle   

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